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Board Deutsch (German)
Re: Umsatzsteuer auf Kryptos
by
Mgsys
on 22/02/2018, 08:10:33 UTC
Ich hab' mal ein bisschen rumgestöbert zum Thema. Schon etwas älter, aber ganz interessant:

Zu einem Steuerberater kommt ein neuer Mandant. Dieser berichtet dem Steuerberater, dass er in seinem Betrieb seit dessen Bestehen im Jahr 1985, auch Leistungen bestimmter Art erbringe, die er umsatzsteuerlich stets dem Normalsatz unterworfen habe. Nunmehr habe aber der EuGH entschieden, dass Leistungen der betreffenden Art dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Sämtliche Umsatzsteuerbescheide und -voranmeldungen seit 1985 hat der Mandant gesammelt. Der jüngste Bescheid ist die Voranmeldung für November 2008. Der Mandant war schon selbst bei seinem Finanzamt gewesen. Bei der USt-Stelle hat man ihm gesagt, das EuGH-Urteil sei noch nicht bekannt. Man werde es aber dann, wenn es im BStBl. veröffentlicht sei, beachten. Man warte also einen entsprechenden Erlass ab. Auf die Äußerung des Mandanten, er werde in seiner nächsten Voranmeldung die entsprechenden Umsätze mit dem ermäßigten Steuersatz anmelden, sagt der Beamte, dies sei Steuerhinterziehung. Der Mandant fordert nun von dem Steuerberater, er solle ihm sein Geld zurückholen.
[...]
Für die Voranmeldungen, die in den nächsten Monaten abgegeben werden müssen, würde Herr Dr. Hahn dem Mandanten den folgenden Rat geben:
- Der Mandant soll ab sofort nur noch mit dem ermäßigten Steuersatz besteuert werden und auch nur noch solche Anmeldungen hereingeben.
- Die Anwendbarkeit des durch das Urteil geklärten Gemeinschaftsrechts hängt nicht von Weisungen der Oberbehörden und nicht von Veröffentlichungen im BStBl. ab.
- Von einer Hinterziehung kann natürlich schon deshalb keine Rede sein, weil insoweit keine Steuer entstanden ist.

Verwirrend, dass das zehn Jahre später immer noch völlig analog Thema ist.

EDIT: Hm. Kann es sein, dass die Verwaltungspraxis Urteile des EuGH so betrachtet wie Urteile des BFH?

Teil II – Vom Bundesfinanzminister ausgewählte Entscheidungen des Bundesfinanzhofs. Durch die Veröffentlichung von Urteilen und Beschlüssen des BFH im Bundessteuerblatt weist der Bundesfinanzminister die Finanzämter an, diese Entscheidungen in vergleichbaren Fällen anzuwenden. Dies ist deshalb wichtig, weil die im Verfahren vor dem BFH ergangenen Urteile grundsätzlich nur die Parteien des konkreten Rechtsstreits binden (§ 110 FGO).

Hab auch mal ein bisschen rumgestöbert und folgendes gefunden:

"3. Vorabentscheidungen des EuGH

Über ein Vorabentscheidungsersuchen entscheidet der EuGH im Rahmen der Vorabentscheidung durch Urteil. Ein EuGH-Urteil ist für die Verwaltung nur bindend,

    wenn und soweit ein BMF-Schreiben dazu Regelungen enthält,
    wenn das EuGH-Urteil im BStBl Teil II veröffentlicht wird oder
    wenn das dem EuGH-Urteil folgende BFH-Urteil im BStBl Teil II veröffentlicht wird.

Bis dahin ist weiterhin die Verwaltungsauffassung zu vertreten. Aussetzung der Vollziehung kann jedoch gewährt werden. Einspruchsverfahren ruhen gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.

Lag der Vorabentscheidung ein Ersuchen eines anderen Mitgliedstaates zu Grunde, ist das EuGH-Urteil für die Verwaltung nur bindend, wenn die Voraussetzungen der ersten beiden Spiegelstriche erfüllt sind. Anderenfalls ist die Verwaltungsauffassung zu vertreten. Es kommen weder Aussetzung der Vollziehung noch ein Ruhen des Einspruchsverfahrens in Betracht.


Quellen: OFD Hannover v. 28.07.2004 - S 7056 b - 3 - StO 351S 7056 b - 1 - StH 441 - https://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/136559/
Brandenburg: http://bravors.brandenburg.de/verwaltungsvorschriften/errl

Im Fall OFD Hannover stammt das Dokument aus 2004, im Fall Brandenburg steht zwar auch 2004 drüber, findet sich aber bis heute in der Datenbank geltender Verwaltungsvorschriften.

@Kryptotaxpert, weisst du, ob das eine flächendeckend heute noch gültige Verwaltungsanweisung ist? Würde unseren Bonner Fall erklären. Beunruhigend für diesen Fall finde ich den letzten Absatz. Danach käme weder ADV, noch Ruhen in Betracht. Wobei streng genommen es sich in Hedqvist nicht um ein Ersuchen eines anderen Mitgliedstaates handelte, sondern um ein Ersuchen eines Gerichtes des anderen Mitgliedstaates (Schweden). Kann aber sein, dass dieser feine Unterschied hier keine Rolle spielt. Müsste man mal einen Finanzbeamten fragen. Ist die ehemalige Sonderprüferin noch in deiner FB Gruppe  Wink,  ....