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Re: Corona
by
qwk
on 05/04/2020, 16:13:33 UTC
⭐ Merited by Soonandwaite (1)
Die jetzigen Meldungen finde ich persönlich auch irgendwie verwirrend.

Man hatte bisher immer gesagt, daß das Ziel sein müßte, die Zahl der Verdoppelung der Infizierten von den anfangs 2,8 Tagen auf 10 Tage zu drücken.
Dann wäre das gut im Sinne des Gesundheitssystems, welches nicht überbelastet werden würde.

Nun sind wir laut Johns Hopkins CSSE bei 11,2 Tagen (Süddeutsche) bzw. bei 9 Tagen (Spiegel).
Gleichzeitig aber verkündet der RKI-Chef Wieler, daß die Zahl der Intensivbetten nicht ausreichen könnte.
Viele Meldungen sind im Moment "verwirrend", das liegt irgendwo in der Natur der Sache, wenn zahlreiche Experten, und andere, die sich dafür halten, sich zu einem Thema äußern, von dem eigentlich keiner besonders viel wissen kann (einfach, weil es zu neu und unerforscht ist).

Rechnerisch ist es einfach so:
Es gibt einen Zeitraum X, in dem ein Mensch nach einer Infektion als Überträger in Frage kommt.
Wie lange dieser Zeitraum X ist, ist für SARS-CoV-2 nicht exakt bekannt.
Der Zeitraum, in dem sich die Anzahl der Überträger rechnerisch verdoppeln dürfte, sollte im Equilibrium gleich X sein.
Dann würde sich das Virus zwar weiter verbreiten, aber es kämen zu jedem Zeitpunkt nur so viele Überträger hinzu, wie Alt-Überträger wegfallen.
Das Gesundheitssystem könnte im Übrigen selbst dann noch zunächst stärker belastet werden, wenn nämlich nach Ablauf des Zeitraums X, in dem ein Infizierter als Überträger in Frage kommt, er möglicherweise noch länger medizinisch betreut werden muss. Das ergibt aber nur einen einmaligen "Aufschlag" Y zusätzliche Patienten.
Insgesamt müssen also X und Y bekannt sein, und der Verdoppelungszeitraum muss kleinergleich X sein, und zugleich die Anzahl der medizinisch betreuten Patienten zum Zeitpunkt des Equilibriums Z kleinergleich der Anzahl der Krankenhausbetten minus Y, dann hat man es "überstanden" (ich hoffe, das ist einigermaßen verständlich, ich selbst komme da gerade ein wenig ducheinander).

Tatsächlich sind weder X bekannt, noch Y, noch Z.
Man schätzt, dass X irgendwo in der Größenordnung 14 Tage liegt, und diese Schätzung ist vermutlich auch relativ genau.
Man schätzt, dass Y irgendwo unterhalb der Größenordnung einer weiteren Verdoppelung liegt, diese Schätzung ist aber sehr sehr, ich meine wirklich sehr ungenau (es ist wohl so, dass ein im Krankenhaus medizinisch betreuter Covid-19-Patient deutlich länger als 14 Tage betreut werden muss)
Wo Z liegen wird, weiß man erst, wenn der Zeitpunkt des Equilibriums erreicht ist, was man allerdings statistisch frühestens ca. 14 Tage nach dem tatsächlichen Erreichen wissen kann.
Theoretisch ist es also durchaus denkbar, dass das Equilibrium gestern bereits erreicht wurde, es kann aber genauso noch zwei Wochen dauern.

Erschwerend kommt hinzu, dass wir das Erreichen des Equilibriums nur am Verlauf der Kurve der Infektionen sehen können.
Wenn dieser durch schrumpfende oder wachsende Test-Kapazitäten, unterschiedliche Testkriterien, unterschiedlichen Meldeverzug etc. verzerrt wird, kommt es zu erheblichen Unsicherheiten.

Alles in allem ist es einfach faktisch unmöglich, in dieser Situation mehr zu sagen als "so Pi mal Daumen schätzen wir, dass ...", alles andere ist unverantwortlicher Blödsinn.
Das mag enorm unbefriedigend sein für den Bürger, der natürlich gerne Klarheit hätte, aber es lässt sich nun mal nicht vermeiden.