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Unternehmen mit Bitcoin auf der Bilanz: kaufen oder nicht?
by
virginorange
on 02/09/2025, 11:49:44 UTC
⭐ Merited by d5000 (20) ,MaxMueller (3)
Wann macht eine Investition in Bitcoin-Treasury-Unternehmen finanziell Sinn?

In diesem Artikel wollen wir die Kriterien erarbeiten, unter denen ein Investment in Unternehmen, die Bitcoin auf ihrer Bilanz halten, finanziell sinnvoll sein kann. Im direkten Vergleich zur Selbstverwahrung von Bitcoin gibt es erhebliche Nachteile, dennoch existieren  Szenarien, in denen solche Investments rational sein können.

Die grundsätzlichen Nachteile: Warum Selbstverwahrung überlegen ist

Die oberste Maxime in der Bitcoin-Welt lautet: „Not your keys, not your coins“. Eine Investition in ein Treasury-Unternehmen bedeutet, sich auf eine lange Kette von Intermediären zu verlassen.

Das Custody-Problem:
ⓐ Du kaufst eine Aktie eines Unternehmens (z.B. in den USA oder Kanada).
ⓑ Dieses Unternehmen hält seine Bitcoin bei einem Custodian (einer Verwahrstelle), einem weiteren Unternehmen.
ⓒ Jedes Glied in dieser Kette stellt ein Gegenparteirisiko und ein regulatorisches Risiko dar.
➤ Funktioniert nur solange alle beteiligten Unternehmen und Rechtssysteme stabil sind.

Das Steuerproblem:
ⓐ In Deutschland unterliegt selbst verwahrter Bitcoin nach einer Haltedauer von einem Jahr keiner Besteuerung mehr.
ⓑ Der Verkauf von Aktien eines Treasury-Unternehmens unterliegt hingegen auch nach langer Haltedauer der Kapitalertragssteuer.
➤ Dies frisst langfristig einen erheblichen Teil der Rendite auf.

Das Aufschlags-Problem (NAV Multiple):
Der Net Asset Value (NAV) ist der reine Marktwert der Bitcoin-Bestände des Unternehmens, dividiert durch die Anzahl der Aktien. Ein NAV Multiple von 1,5 bedeutet, dass du für 15.000€ Aktien eines Unternehmens kaufst, das dir wirtschaftlich nur 10.000€ Bitcoin besitzt.
➤ Aus Sicht eines freien Investors, der die Wahl hat, ist der direkte Kauf von Bitcoin  vorzuziehen.


Warum existieren diese Unternehmen dann überhaupt? Die Zielgruppe

Trotz der Nachteile gibt es massive Kapitalströme in diese Unternehmen. Der Grund liegt nicht in der Überlegenheit des Produkts, sondern in regulatorischen Zwängen des traditionellen Finanzsystems.

Der gefangene Anleger:
ⓐ Viele Anleger sind in staatlich geförderten Altersvorsorgeprodukten (wie 401k in den USA, Riester/Rürup in Deutschland) „gefangen“.
ⓑ Die Regeln dieser Produkte verbieten oft den direkten Kauf von Bitcoin, erlauben teilweise aber Investments in börsennotierte Unternehmen.
ⓒ Für diese Anleger ist die nächstbeste Option ein Bitcoin-ETF oder ein Bitcoin-Treasury-Unternehmen – selbst mit einem Aufschlag.
☞ Der gefangene Anleger akzeptiert den Aufschlag, weil die Alternative gar keine Bitcoin-Exposure ist. Selbst eine unterlegene Bitcoin-Investition kann über 10-20 Jahre eine bessere Rendite erzielen als traditionelle Aktien und Anleihen.

Das Unternehmen als Anleger:
ⓐ Für Unternehmen ist die Selbstverwahrung von Bitcoin mit erheblichen operationalen Risiken verbunden (Diebstahl durch Mitarbeiter, Verlust von Keys).
ⓑ Sie benötigen robuste Prozesse nach dem Vier-Augen-Prinzip und die Dienstleistungen professioneller Custodian.
ⓒ Ein Investment in ein börsennotiertes Treasury-Unternehmen ist für viele Firmen-Treasuries die einfachste und complianteste Methode, Bitcoin-Exposure zu erhalten.


Der Arbitrage Vorteil: Wie Treasury-Unternehmen Wert generieren können

Wenn es einen stetigen Zufluss von Kapital aus dem traditionellen Finanzsystem gibt, können diese Unternehmen für ihre Aktionäre Mehrwert schaffen.

Wertgenerierung durch Aktienemission (Equity Financing):
Beispiel:
ⓐ Ein Unternehmen hat 10 Bitcoin und 10 Aktien. Der Bitcoin-Preis liegt bei 50.000€. Der NAV pro Aktie beträgt also 50.000€.
ⓑ Die Aktie wird aufgrund hoher Nachfrage mit einem Multiple von 2 gehandelt, kostet also 100.000€.
ⓒ Das Unternehmen emittiert eine neue Aktie für 100.000€. Mit dem Erlös kauft es 2 neue Bitcoin (à 50.000€).
ⓓ Jetzt hat das Unternehmen 12 Bitcoin und 11 Aktien. Der NAV pro Aktie ist auf ~54.545€ gestiegen (12 BTC * 50.000€ / 11 Aktien).
➤ Die Altaktionäre haben profitiert, weil der Bitcoin-Bestand pro Aktie gestiegen ist. Der Neuaktionär hat einen evtl. schlechten Deal gemacht, hatte aber aufgrund regulatorischer Zwänge keine bessere Wahl.

Wertgenerierung durch Verschuldung (Leverage):
Beispiel:
ⓐ Bitcoin hat eine historische Rendite von ~40%. Ein Unternehmen mit 1 Bitcoin (Wert: 100.000€) nimmt einen Kredit über 50.000€ zu 15% Zinsen auf und kauft ein halbes Bitcoin zusätzlich.
ⓑ Es besitzt jetzt 1,5 Bitcoin.
ⓒ Nach einem Jahr sind die Bitcoin (angenommen +40%) 210.000€ wert (1,5 * 140.000€). Der Kredit inklusive Zinsen (57.500€) wird zurückgezahlt.
ⓓ Übrig bleiben 152.500€. Aus anfänglichen 100.000€ Eigenkapital wurde ein Wert von 152.500€ – eine Rendite von 52,5%.
➤ Durch die Hebelwirkung (Leverage) kann die Rendite für die Aktionäre gesteigert werden, solange die Bitcoin-Rendite höher ist als die Kreditzinsen.


Kriterien für eine sinnvolle Investmententscheidung

Nicht jedes Bitcoin-Treasury-Unternehmen ist ein gutes Investment. Folgende Kriterien sind zu prüfen:

Marktposition:
➤ Ist das Unternehmen für große institutionelle Anleger (Pensionsfonds) die beste / risikoärmste / einfachste Option?

NAV Multiple:
➤ Zu welchem Multiple wird die Aktie gehandelt? Ein sehr hohes Multiple (>1.5) ist riskant, da es im Bärenmarkt stark fallen kann.

Management-Qualität:
➤ Verfolgt das Management eine klare Strategie zur Steigerung des BTC/Bestands pro Aktie? Nutzt es opportunistisch die Emission neuer Aktien bei hohem Multiple? Setzt es verantwortungsvoll Leverage ein?

Steuerliche Behandlung:
➤ Wie wird das Investment im jeweiligen Land im Vergleich der Selbstverwahrung besteuert?

Langlebigkeit des Kapitalzuflusses: ➤ Ist der Zufluss von „gefangenem“ Kapital aus dem traditionellen System ein nachhaltiger Trend der nächsten 10-20 Jahre oder nur eine kurze Modeerscheinung?

Fazit
☞ Eine Investition in ein Bitcoin-Treasury-Unternehmen ist für einen Bitcoiner, der selbst verwahren kann, niemals die erste Wahl.
☞ Finanziell Sinn ergibt sie sich primär als spekulative Wette auf den anhaltenden Zufluss von institutionellem Kapital, das keine andere Option hat.
☞ Der Erfolg hängt davon ab, ob das Unternehmen es schafft, durch geschickte Kapitalaufnahme (zu hohen Multiples) und Leverage den Bitcoin-Bestand pro Aktie langfristig zu steigern – und ob dieser Effekt die Nachteile durch Steuern und Risiken überkompensiert. ➤ Es ist ein Investment in einen Finanzintermediär, nicht direkt in Bitcoin. Die Analyse muss sich daher auf das Unternehmen, sein Management und seine Marktstellung konzentrieren.



Lohnt sich für deutsche Anleger nicht

Für einen Steuerzahler in Deutschland frisst die Kapitalertragssteuer die Zusatzerträge aus dem extra Kredithebel vollständig auf.

Ich habe ein Investment in ein Bitcoin Treasury Unternehmen (z.B. MSTR oder Metaplanet) mal überschlagen:
o Unterstellt habe ich einen Kredithebel von 30% Vorzugsaktien mit der aktuell gültigen MSTR-Verzinsung,
o eine Haltedauer von 6 Jahren sowie die deutsche Kapitalertragssteuer.
➤  In diesem Fall bin zu dem Schluss gekommen, dass die Kapitalertragssteuer alle Zusatzerträge aus dem zusätzlichen Kredithebel des Bitcoin Treasury Unternehmens auffrisst.
➤  Diese schlechtere Wertentwicklung ist sogar unabhängig von der Laufzeit.
➤  Durch höhere Schulden könnte das Unternehmen Bitcoin zwar outperformen, aber mit höheren Schulden steigt auch das Risiko der Insolvenz.
➤  Zusätzlich könnte das Unternehmen noch durch Emission von Aktien zu einem NAV-Multiple Erträge erwirtschaften. Dies wird allerdings kompensiert durch eine NAV-Multiple Kompression im Zeitverlauf.

Fazit: Unter einigermaßen realistischen Annahmen wird man als Deutscher auch mit einem gut geführten Bitcoin Treasury Unternehmen nicht besser fahren als direkt Bitcoin zu kaufen. Bei einem Steuersitz in Österreich könnte sich dies allerdings schon lohnen.



Hat jemand Wertpapiere von Bitcoin-Treasury Unternehmen? Warum ja oder warum nicht?