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Topic
Board Trading und Spekulation
Re: Antizyklisches Handeln
by
botticelli
on 12/08/2014, 18:55:20 UTC
Hallo an alle,

ein netter Thread soweit. Aber ich finde nicht, dass man für die Strategie den x-ten neuen Namen erfinden sollte.
Ich kenn es unter der Bezeichnung "Constant Mix" und gehört zu den dynamischen Rebalancierungs-Strategien.

Ich habe mal einen etwas älteren Artikel aus dem Financial Analysts Journal von 1995 ausgegraben (Eine frühere Version wurde sogar schon 1988 veröffentlicht).
http://web.stanford.edu/class/msande348/papers/PeroldSharpe.pdf

Es werden 3 Strategien beschrieben: Buy & Hold, CPPI sowie Constant-Mix.

Im Grunde sagen sie aus:
  • Buy & Hold: Bei Kursschwankungen nix tun, nur warten.
  • CPPI: (Constant Proportion Portfolio Insurance) Bei Kursanstiegen nachkaufen, bei Kursabfällen verkaufen.
  • Constant-Mix: Bei Kursanstiegen verkaufen, bei Kursabfällen nachkaufen.

Die Idee bei Constant-Mix ist, sich an einem gewünschten Ziel-Verhältnis zwischen seinen Assets zu orientieren, genau wie hier zuvor beschrieben und eine Werte-Balance herzustellen.
Bei CPPI ist die Idee, das Risiko pro Asset mitzuziehen, also bei vom Kurs gestiegenen Assets mehr Risiko einzugehen und bei fallenden langsam zurück zu gehen.

Interessanterweise ist auch bei CPPI ein essentieller Bestandteil, dass man nie 100% der dynamischen Anpassung folgt, sondern immer nur anteilig. (Man spricht von einem sogenannten "Cushion")

Diese drei Strategien sind also gewissermaßen gegensätzlich und während Buy&Hold als "passiv" angesehen werden kann, befinden sich die anderen beiden Strategien an jeweils gegenüberliegenden Enden der dynamischen Anpassung.
Und wie hier auch fleißig diskutiert wird, wird auch in dem Artikel schön aufgezeigt, wie welche Strategie in welchen Marktsituationen performed, nämlich:

  • Bei starken, langanhaltenden Abwärts/Aufwärts-Trends performed CPPI am stärksten und Constant-Mix am schlechtesten.
  • Bei langanhaltenden Seitwärts-Bewegungen mit vielen "Reversals" performed Constant-Mix am besten und CPPI am schlechtesten.

Constant-Mix / Antizyklischen Handeln ist also eine Wette darauf, dass sich die Kurse seitwärts bewegen mit vielen Umkehrungen.
Das ist natürlich genau dann zu erwarten, wenn man Assets wählt, die einen "stabilen Wert" (für einen) haben, also nicht langfristig auseinander driften und sich eben nicht in ihren Bewertungen krass zueinander verschieben.

Interessanterweise geht der Artikel zum Ende noch auf die Gegensätzlichkeit der beiden Strategien ein.
Angenommen wir haben einen Constant-Mix-Fonds und einen CPPI-Fonds mit den selben zu Grunde liegenden Assets.
Dann entspricht der Kauf des Constant-Mix-Fonds gerade einem Verkauf des CPPI-Fonds und umgekehrt.
Denn wie oben schon erwähnt: Performed der eine gut, performed der andere schlecht.

Besonders interessant ist, dass es nach dem Artikel durchaus günstig ist, der Strategie zu folgen, die von der Minderheit angewandt wird.

Denn je mehr Leute die CPPI-Strategie fahren, desto mehr Volatilität bringen sie in den Markt (Kaufen bei Anstieg, Verkaufen bei Abfall).
Und viel Volatilität bedeutet, dass der Markt mehr und mehr von Reversals statt von echten Trends beeinflusst wird. Und genau dann performen ja die Constant-Mix-Strategen besser.
Wenn nun aber die Mehrheit auf Constant-Mix-Strategien umsattelt, dann bremst das die Volatilität des Markets (Bei Kursabfall wird eingekauft und der Fall so gestoppt, bei Kursanstieg wird verkauft und der Anstieg so gebremst). Das führt zu immer weniger Reversals und stattdessen nur noch zu glatten Aufwärts- oder Abwärts-Trends, wo wiederum Constant-Mix (und antizyklik) versagt und CPPI gewinnt.

PS: Zu den von kneim verlinkten Smart-Beta-Strategien habe ich noch nicht viel gehört, aber scheint auch wieder nur alter Wein in neuen Schläuchen zu sein.
Aber wie bereits erwähnt, kann man ja nach einer Mainstream-Phase einer Strategie regelmäßig die jeweils andere Strategie promoten und unter einem neuen Namen als neues Alheilmittel vermarkten. Hier müsste man also eigentlich "antizyklisch" handeln ;-)
Oder man bleibt bei Buy & Hold und schaut sich das Treiben von Beckenrand aus an, denn ob CPPI und Constant-Mix sich gegenseitig in Volatilität aufschaukeln oder abbremsen, ist dem Buy&Holder reichlich egal.