Das FA steht also auf dem Standpunkt: Wir wissen, dass nach EuGH-Entscheidung keine Umsatzsteuer fällig ist. Aber, der Gesetzgeber hat das nicht in nationales Recht überführt und das Finanzministerium hat uns nicht gesagt, dass wir das EuGH-Urteil unserer Einordnung zugrunde legen müssen. Also sind uns die Hände gebunden.
Stimme dir generell zu @twbt, was folgt aber daraus?
In der Sache ist es aus meiner Sicht wichtig zu erkennen, dass das Finanzamt hier einfach europarechtlich verpflichtet gewesen wäre, das deutsche Umsatzsteuergesetz europarechtskonform, also in diesem Fall richtlinienkonform auszulegen. Habe dazu hier schon ausführlich gepostet:
https://bitcointalk.org/index.php?topic=1976285.msg30340415#msg30340415Jetzt kennen wir ja inzwischen den (angeblichen) Prüfungsbericht und können folgendes ergänzen: Im Prüfungsbericht von der Quermann-Homepage ist unter Punkt 2.2.4 in Bezug auf die einschlägige Mehrwertsteuersystemrichtlinie und das EuGH-Urteil Hedqvist zu lesen, dass "eine richtlinienkonforme Gesetzesauslegung (...) bisher noch nicht erfolgt" sei. Soll heißen: Wir als Finanzamt kennen zwar die EuGH-Entscheidung, können/dürfen sie aber mangels Freigabe "von oben" nicht anwenden. So oder so ähnlich siehst du es ja auch.
Diese interne Verwaltungspraxis, dass Urteile von den Finanzämtern nur dann angewendet werden dürfen, wenn sie vom BMF "freigegeben" sind, ist natürlich schreiend europarechtswidrig, weil der Auslegungstenor einschlägiger EuGH-Entscheidungen von allen (!) staatlichen Organen, also auch den einzelnen Finanzämtern, sofort nach Verkündung zu beachten ist. Das ist ständige Rechtsprechung des EuGH seit jeher, besonders ausgeführt in den sog. Glücksspiel-Urteilen vom 08.09.2010 (Carmen Media, Markus Stoß, Kulpa Automatenservice Asperg und Winner Wetten). Das Finanzamt Bonn-Innenstadt war europarechtlich verpflichtet, die vom EuGH klar vorgezeichnete richtlinienkonforme Auslegung im konkreten Fall selbst vorzunehmen. Es hätte also die Befreiungsvorschrift des deutschen § 4 Nr.8 Buchst.b UStG, die Umsätze von gesetzlichen Zahlungsmitteln von der Umsatzsteuer ausnimmt, richtlinienkonform auch auf den Bitcoin erstrecken müssen. Denn der EuGH hat in Hedqvist ja den Bitcoin umsatzsteuerrechtlich (!) den gesetzlichen Zahlungsmitteln gleichgestellt und sich dabei auf den Kontext und den Zweck von Art. 135 Abs. 1 Buchst.e der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) gestützt. Wie die Finanzverwaltung daran vorbeikommen will, ist mir schleierhaft.
Die vorhandene Kollision zwischen deutscher interner Verwaltungspraxis und Rechtsprechung des EuGH ist natürlich aus Sicht des Bürgers höchst beklagenswert, aber bislang leider ungeklärt. In Klartext übersetzt sagt der Prüfungsbericht ja: "Wir als Behörde verstoßen hier sehenden Auges gegen das Recht und verweisen den Bitcoin-Händler auf ein im Zweifel jahrelanges Gerichtsverfahren und falls wir die Vollziehung des Steuerbescheids nicht aussetzen, bedrohen wir ihn in der Konsequenz auch noch mit Insolvenz (!). Und alles, weil wir verwaltungsintern nicht anders können, sprich: weil das BMF es seit mehr als zwei Jahren (!) seit dem Hedqvist-Urteil verschlafen hat, für klare Verhältnisse zu sorgen." Unglaublich.
Nochmal: Ich halte diese Praxis der Finanzverwaltung für klar europarechtswidrig, untermauert mit einschlägiger Rechtsprechung (siehe oben). Bliebe die Finanzverwaltung hier bei ihrer Auffassung, könnte der Betroffene den Verstoß gegen das europäische Recht nur noch vor Gericht verfolgen. Das würde dann passieren, wenn die Verwaltung dem eingelegten Einspruch nicht selbst abhilft, ihn also aufhebt oder ändert. Dass die Finanzverwaltung diesen haarsträubenden Verstoß gegen Europarecht wirklich bis in ein Gerichtsverfahren hinein durchzieht, ist aber aus meiner Sicht unwahrscheinlich. Deshalb ja auch derzeit meine Kritik gegen Panikmache interessierter Anwälte und Steuerberater im Internet. Ich glaube daran erst, falls uns belastbare und nachvollziehbare Infos aus der Finanzverwaltung darüber erreichen, weshalb die meinen, damit durchzukommen. Mir fällt da ehrlich gesagt kein vernünftiges Argument ein, wobei die im BMF erfahrungsgemäß sehr erfinderisch sind, wenns darum geht, Steuern zu generieren. Solange glaube ich aber lieber an den Rechtsstaat und hoffe, dass sich der Wirbel schnell legt. Wenn die Finanzverwaltung mit belastbaren Infos weiterhin nicht rausrückt, müssen wir allerdings warten, bis gepostet wird, dass und weshalb der Einspruch zurückgewisen wurde. Ich hoffe sehr, dass es dazu nicht kommt.