Ich möchte noch einen Parameter in die Diskussion werfen: die Art der Reward-Verteilung bei verschiedenen PoS-Ansätzen. Da gibt es graduelle Unterschiede, von "nur Reiche können sich so was leisten und damit am Konsens teilnehmen" bis zu einer fast egalitären Verteilung. Hat sowohl über "Rich get Richer" als auch über die Eintrittsbarrieren Einfluss auf den Grad, wie Ungleichheit gefördert wird.
Nehmen wir mal das Urgestein aller PoS-Coins: Peercoin. Dort gibt es einen Reward, der prozentual zum eingesetzten Stake berechnet wird (bei Peercoin 1% pro "gehodletem" Jahr, d.h. der Reward hängt am Coin-age). Im Prinzip gleicht sich damit das Staking zwischen "Reich" und "Arm" aus, jeder verdient die gleichen "Zinsen". Das entscheidende "gleichmachende" Element ist, dass wenn eine Anzahl Coins als Stake eingesetzt wurde, dieser dann eine Zeitlang (bei PPC ein Jahr) ruhen muss, um bei den vollen Reward zu erhalten. Der Reiche kann also seine volle Staking-Power - bezogen auf die Rewards, nicht auf die Chance, Blöcke zu finden - sozusagen nur einmal im Jahr einsetzen. Kleine Staker finden seltener Blocks, d.h. man bekommt seinen Reward dann vielleicht einmal alle Paar Monate, aber die Proportion bleibt gleich wie bei Reichen. Die Transaktionsgebühren gehen natürlich eher zu den "Reichen" und sind damit das einzige wirkliche "Rich get Richer"-Element.
Ist der Block-Reward fix, wie bei Bitcoin, und Coin-age spielt keine Rolle, dann werden Reiche natürlich stärker begünstigt. Proportional finden sie die gleiche Anzahl Blöcke im Vergleich zu kleinen Stakern wie bei Coin-age-basierenden Systemen, aber sie kassieren mehr Rewards, da sie immer den vollen Grad "Staking-Power" haben.
Noch "ungleichheits-fördernder" sind Coins, bei denen ein Sicherheits-Deposit zum Staken hinterlegt werden muss, das bei Fehlverhalten entzogen werden kann. Da kann man schon von einer hohen Eintrittsbarriere, ähnlich wie bei PoW-Coins sprechen. Am extremsten sind natürlich DPoS-Coins (die zum Teil ja "Mafia-Strukturen" begünstigen, ich denke viele kennen die
Lisk-Geschichte).
Grundsätzlich sehe PoW insgesamt als "gerechter" an. Das liegt weniger an der direkten Förderung von Ungleichheit über die Rewards, sondern daran, dass ein Kartell von reichen Usern bei PoS mehr Macht hätte und Angriffe zumindest androhen könnte, die kaum Ressourcen kosten würde. Wenn das Kartell groß genug ist, könnten sie damit einen Hardfork forcieren. Das heißt: Es ist zwar nicht gesagt, das PoS Akkumulation eher fördert als PoW, aber wenn diese stark genug ist, kann es zu gravierenden Problemen kommen.
Beim Thema "Rich get Richer" halte ich den Peercoin-PoS für etwas "gerechter" als den klassischen Bitcoin-style PoW, weil eben bei Bitcoin kleine Fische so gut wie gar nicht mehr beim Mining mithalten können (liegt hier ganz klar an den Eintrittsbarrieren), während kleine Staker eigentlich ihre Blöcke meistens irgendwann doch finden. Peercoin-artige "traditionelle" PoS-Coins haben aber dafür das Problem, dass sie schlechter gegen Nothing-at-Stake-Angriffe gewappnet sind als Coins mit "moderneren" Algorithmen mit Sicherheits-Deposits.
Im Übrigen ist folgender Satz nicht ganz richtig:
Auf den zweiten Blick trägt das aber im Vergleich von PoW zu PoS nicht direkt zur Umverteilung der Coins von arm zu reich, wenn man folgende Punkte mit bedenkt:
- Wie viele Coins insgesamt pro Jahr umverteilt / neu emittiert werden. Das sind einmal die, die neu auf den Markt kommen zzgl. Transaktionskosten. PoS Coins sind von Haus aus inflationärer, es wir viel umverteilt / viel Inflation.
Es gibt sehr schwach inflationäre PoS-Coins (Beispiel Peercoin: weniger als Bitcoin zur Zeit), und sogar solche, bei denen gar keine Rewards gezahlt werden und daher alles über den Transaktionsmarkt geregelt wird.
Beim PoW bleiben die meisten Coins nicht bei den Erzeugern (Minern), weil diese von einem Großteil der Gewinne ihre Kosten decken müssen. [...] Beim PoS hingegen hat der Erzeuger (Staker) außer den einmaligen Anschaffungskosten der PoS-Coins keinerlei Ausgaben [...]. Fast die kompletten generierten Coins bleiben also beim Staker, der dadurch immer reicher wir und immer mehr Coins akkumuliert.
Das stimmt nur dann, wenn man ausblendet, dass große Staker Kapitalkosten und/oder Opportunitätskosten haben können. Ein Reicher, der in einen PoS-Coin investiert, macht nur dann wirklich Gewinne, wenn er damit mehr gewinnt als mit einer klassischen Geldanlage (sonst hat er Opportunitätskosten). Nimmt er einen Kredit auf, um einen großen Stake zu erwerben, hat er Kapitalkosten. Ich glaube Paul Sztorc hat dazu mal was geschrieben.
Nehmen wir an, dass es einen PoS-Coin gäbe, der genau die gleiche Marketcap hätte wie Bitcoin, könnte dies in einem perfekten Markt zu einem "Ausgleich" führen. Am Anfang würden vielleicht mehr Staker einsteigen (wegen der geringeren Eintrittsbarriere), aber irgendwann (also in einem "reifen" Markt) wäre die Konkurrenzsituation hoch genug, dass die Gewinnmarge eines durchschnittlichen Stakers ähnlich niedrig wäre wie die eines durchschnittlichen Miners. Und damit würde auch der Staker einen Teil seiner Rewards verkaufen müssen.