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Board Off-Topic (Deutsch)
Re: Corona, Russland vs. EU bzw. Amerika etc.
by
qwk
on 10/03/2022, 19:44:34 UTC
[ Sprachengesetz in der Ukraine ]
Wenn es bei uns fremdenfeindliche, diskriminierende oder von mir aus sektiererische Gesetze/Regelungen gibt, bedeutet daß doch a) nicht, daß wir das alle so billigen/befürworten und kann auch b) nicht bedeuten, daß man Regelungen und Gesetze anderswo nicht kritisieren soll, nur weil es bei uns evtl. hier und da auch Handlungsbedarf gibt. Oder habe ich dich da falsch verstanden?
Ob von dir falsch verstanden oder von mir falsch ausgedrückt, es ist jedenfalls nicht das, was ich kommunizieren wollte.
a) man "soll" dieses Gesetz nicht befürworten oder ablehnen, sondern sich kritisch damit auseinandersetzen
b) man "soll" kritisieren, was man für kritikwürdig hält, unabhängig vom sprichwörtlichen Dreck vor der eigenen Tür, den zu fegen es gilt
aber auch
c) gerade unsere heimische Diskussion über bspw. Kopftuch und Burka sollte die Sinne geschärft haben für das Für und Wider solcher Regelungen

Ich will mich da noch mal klarer ausdrücken: für meinen Teil habe ich Kopftuchverbote stets abgelehnt, und tue das bis heute.
Zugleich kann und konnte ich die Argumente der Verbotsbefürworter stets nachvollziehen, und teile zumindest in Teilen einige der Ziele.

Da aber in diesem Themenkreis sehr weit ausgeholt werden müsste bis hin zu political correctness in den USA, hate speech in Südafrika, Loi Toubon etc. pp., will ich das an dieser Stelle nicht weiter ausführen, um ein Abdriften ins offtopic zu vermeiden.

In diesem Sinne:
soweit ich das ukrainische Sprachengesetz richtig interpretiere, ist es zumindest nach meiner Lesart im Sinne eines Loi Toubon als positives Gesetz zum Schutz der eigenen kulturellen Identität einzustufen, und entfaltet damit allenfalls mittelbar eine (vielleicht unvermeidbare) diskriminierende Wirkung.


Wenn man das aber sachlich betrachtet, dann müsste laut Gesetz zum Beispiel die russichsprachige Zeitung Westi statt der bisher täglich 500.000 Exemplare nun täglich 1.000.000 Million Exemplare drucken, wenn sie auf die russischsprachigen Ausgaben nicht verzichten möchte. Es ist doch eindeutig, dass man die hier vor die Wahl stellt: entweder hin zur ukrainischen Sprache oder zum Verschwinden vom Markt.
Das verstehe ich nach meinem Augenschein des Gesetzes nicht so (ich bin aber weder Kenner ukrainischer Rechtsprechung, noch der ukrainischen Sprache).
Vielmehr steht es der Zeitung in meinen Augen frei, einfach jeden Artikel zweisprachig zu drucken (möglicherweise gar in kompakterer Form), was sicherlich nicht zum Verschwinden vom Markt führt.
Dass damit gewisse Kosten einhergehen, die letzten Endes durchaus auch existenzbedrohend sein könnten, will ich dabei nicht bestreiten.
Allerdings gebe ich zu bedenken, dass es in anderen Ländern sehr erfolgreiche Lokalzeitungen von sprachlichen Minderheiten gibt, die selbst bei mickrigen Auflagen wirtschaftlich arbeiten können (hierzulande lese ich bspw. die AZ mit einer verkauften Auflage von wenigen tausend Exemplaren).

Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Filmemacher düften in all ihren Sprachen weiterhin Konferenzen abhalten, Konzerte und Veranstalungen durchführen, Filme drehen und publizieren. Bis auf die Russen. Die müßten nun zu allem eine Übersetzung ins Ukrainische erarbeiten bzw. Live-Übersetzer organisieren.
Du tust so, als gäbe es dafür keine Begründung.
Es besteht die reale Gefahr, dass in Anbetracht der sprachlichen Dominanz des Russischen in Teilen der ukrainischen Gesellschaft eine Spaltung ebendieser Gesellschaft gefördert wird.
Vergleichbare Probleme haben quasi alle multikulturellen Gesellschaften, nur sind diese selten in dieser Größenordnung zu beobachten.
Wenn Frankreich mit dem Arabischen, Deutschland mit dem Türkischen, die USA mit dem Spanischen etc. pp. in einer Form umgehen möchten, die dafür sorgt dass dennoch eine "Muttersprache" erhalten bleibt, ist das eine gesellschaftspolitische Entscheidung, die grundsätzlich zu respektieren ist.

Wenn ein Land dabei noch mit dem Problem der zumindest potentiellen Einmischung eines Nachbarlandes konfrontiert ist, welches die Sprecher der eigenen Muttersprache als nicht der Souveränität des ersten Landes unterworfen akzeptieren möchte, wie dies (und es ist traurig, dass man darauf hinweisen muss) seit Jahren in der Ostukraine und auf der Krim der Fall ist, dann, und hier lehne ich mich nicht weit aus dem Fenster, besteht in der Dominanz der eigenen Sprache auch eine Form der gesellschaftspolitischen Notwehr gegen einen potentiellen Aggressor.

Und das zweimalige "potentiell" dürfen wir ja nun aus dem letzten Satz endgültig streichen.

Das ist ja zumindest eine eindeutige Benachteiligung mit dem Ziel, das Russisch zu verdrängen.
Und ausgerechnet hier in Deutschland würde bei einem solchen Gesetzt doch jeder sofort nach Diskriminierung schreien.
Jein, es soll in erster Linie das Ukrainisch stärken.
Geschieht das zu Lasten des Russischen, ist das eher ein Nebeneffekt, der sicherlich von manchen (auch hierzulande) als Diskriminierung bezeichnet würde, aber eben keine ist.
Man will eine "ukrainische Leitkultur" schaffen, das heißt nicht unbedingt, dass man die eigenständige Kultur des Russischen zugleich unterdrücken will.

Ein Beispiel: in meiner Kindheit wurde ich "genötigt", in der Schule Hochdeutsch zu sprechen.
Damit wollte man meine Bayrische/Fränkische Muttersprache nicht unbedingt unterdrücken, sondern lediglich die Basis für eine gemeinsame Deutsche kulturelle Identität legen.


Und zu guter Letzt möchte ich noch anmerken, dass ich eigentlich überhaupt nicht vorhatte, das ukrainische Sprachengesetz in irgendeiner Weise in Schutz zu nehmen, mich dafür auszusprechen, es zu befürworten oder dergleichen. Mir ging es vielmehr darum, jeglichem Anschein der Apologetik zugunsten einer Russischen Aggression einen Riegel vorzuschieben.
Um es sehr deutlich zu sagen: selbst wenn das Gesetz die Russen in der Ukraine aufs Übelste diskriminierte, wäre das nicht einmal eine Rechtfertigung für den ersten Schuss eines russischen Infanteristen auf ukrainischem Boden.



Nun... er hat doch gesagt, den Erlös über eine Stiftung an Opfer des Kriegs in der Ukraine spenden zu wollen.
Ich hoffe, wir wollen hier nicht noch eine ethnische Unterscheidung der Opfer vornehmen.
So eindeutig wir da sicherlich in Bezug auf die ethnische Begründung einer Meinung sein mögen, muss ich dann doch auch hier einwerfen:
es ist schon ein Unterschied, ob ein russischer Oligarch sich in der aktuellen Lage entscheidet, bspw. spezifisch nur den Witwen russischer Soldaten zu spenden oder allgemein dem Roten Kreuz oder aber direkt ukrainischen Kriegswaisen.
Da mag es eine sehr breite Grauzone geben, aber es gibt eben auch durchaus ein deutlich erkennbares schwarz und weiß.
Das Leid russischer Soldatenwitwen ist sicherlich ebenso real wie das Leid ukrainischer Opfer, und sie sind im besten Sinne unschuldig; das würde nichts daran ändern, dass eine Spende ausschließlich für diese ein zumindest fragwürdiges Signal setzen würde.

Um es anders zu sagen: solange bei der Spende keine Unterscheidung zwischen den Opfern gemacht wird, ist das legitim.
Findet aber eine Unterscheidung auf der Seite des Spenders statt, ist auch die Kritik auf der Basis der Unterscheidung, und damit mittelbar der "Ethnie" zulässig.