Momentan ist Russland bzw. Putin der Bösewicht, was ja auch stimmt. Aber laut Gut & Böse Schema müssen alle anderen die Guten sein.
Ich interpretiere hier einfach mal einen
Beitrag von Dirty Harry Schmidt zeitgenössisch,
"Dinge, die sich nach dem Angriffskrieg nicht geändert haben":
- Nordkorea ist immer noch böse
- Trump ist immer noch ein Narzisst
- Hubertus Heil ist immer noch Arbeitsminister
- Neger haben immer noch den längsten
Selbstverständlich sind nicht alle anderen die Guten, bloß weil Putin "plötzlich" der Böse ist.
Aber, und ich finde es traurig, dass es notwendig ist, das zu betonen: jede noch so kleine Relativierung, jeder neudeutsche Whataboutism, jede Verharmlosung, jedes Fingerzeigen auf den sprichwörtlichen Dreck am Stecken anderer verbietet sich in meinen Augen zumindest solange, bis ein für alle mal klargestellt ist, dass es in diesem spezifischen Fall wirklich einmal ausnahmsweise eine sehr klare Unterscheidung zwischen "Gut" und "Böse" gibt.
Hier gibt es nunmal einen
vollständig Unschuldigen (die Ukraine), der von einem
vollständig Schuldigen (Putin) angegriffen wird.
Es gab keinerlei Provokation Russlands durch die Ukraine, Punkt, aus, Ende.
Das Whataboutisms ist in diesem Sinne eine abgedroschene Phrase
Letzten Endes ist das in erster Linie Neudeutsch für Relativierung, was seinerseits ein Latinismus ist

das ist schlichtweg der plumpe Versuch, andere User zu diskreditieren, die eigenen Wissenslücken zu übertünchen und die Diskussion in eine bestimmte simple Richtung zu lenken, die Debatte zu verengen.
Nein. "Whataboutism" ist eine bewusst gewählte Strategie der Propaganda, die insbesondere in der modernen "Alt Right" Perfektion erfahren hat.
Als extremstes Beispiel für angewandten Whataboutism in Reinstkultur empfehle ich 15 Minuten Tucker Carlson (ich empfehle eine Aspirin dazu, die hat man nötig).
Ich erlaube mir den Hinweis, dass auch der Verweis auf solche, vereinzelten und zugegebenermaßen völlig unangemessenen Entgleisungen individueller Idioten unter die Kategorie "Whataboutism" fallen.
Und bevor nun irgendjemand daraus wieder irgendwas drehen will: mir ist das Problem der aufkeimenden "Russenfeindlichkeit" bekannt und bewusst*, es handelt sich dennoch um ein "kleines" Problem, auch wenn es für den Einzelnen sehr unangenehm sein mag.
* meine Frau wurde im Oblast Perm geboren**, Teile der Verwandtschaft leben weiterhin dort** sie ist allerdings Russlanddeutsche, in Russland also "eine Deutsche", in Deutschland "eine Russin"****** und hierzulande sind wir wiederum beide einfach Deutsche, und damit wahlweise Ausländer oder irgendwie auch nicht******** it's complicated 
Ich würde hier gerne noch Falludscha erwähnen. Sämtliche Operationen der Amerikaner gegen diese Stadt waren von Kriegsverbrechen begleitet. Hier wurde alles, was wir derzeit als "Rote Linien" beschreiben, ignoriert und überschritten. Selbst der Auslöser der Aufstände basiert auf Kriegsverbrechen, auf das sinnlose Zusammenschießen von Demonstranten (nach amerikanischer Lesart natürlich alles Anhänger von az-Zarqawi). Die Generalbundesanwaltschaft hätte sich hier hundertfach ins Zeug legen können, wenn auch nur symbolisch. Ich kenne eigentlich keinen Krieg ohne Kriegsverbrechen. Und ja, das muß man benennen. Überall, aber gleichermaßen.
Und ich kann nicht erkennen, wie man auf die Idee kommen kann, dass solche amerikanischen Kriegsverbrechen hierzulande nicht benannt worden wären.
Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, wo die Lügen, die zum Irak-Krieg geführt haben, nicht auf den Tisch gebracht worden wären.
Reden wir Klartext: das war auf den Titelseiten (vermutlich) aller deutschen Nachrichtenmagazine.
Menschen in Deutschland haben damals gegen den Krieg demonstriert, wenn auch sicherlich nicht alle.
Untersuchungsausschüsse im Bundestag haben sich mit dem Schicksal von Murat Kurnaz beschäftigt.
Nichts davon ist ideal gelaufen, keine Frage, aber es wurde eben nicht unter den Tisch gekehrt, man hat die USA kritisiert, man hat die Fehler benannt, man hat auf die Folter aufmerksam gemacht.
Und ja, man hat auch oft vor dem großen mächtigen Verbündeten gekniffen, ganz genauso, wie man heute vor dem großen Gaslieferanten kneift.
Das ist die hässliche Seite der Realpolitik.