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Board Trading und Spekulation
Re: Antizyklisches Handeln
by
bill86
on 09/08/2014, 13:01:22 UTC
Grüß Gott, kneim,

Wenn sich die Kurse in einem Band seitwärts bewegen, ist der Handel des Maximums optimal.

Wenn es zu einem Trend kommt (Richtung egal), ist kein Handel optimal.
Dazu müsstest du erst einmal benennen, was du hierbei mit "optimal" meinst.

Die zwei Sätze von dir legen nahe, dass du in der Tat zwei verschiedene Arten von "optimal" meinst.
Deshalb kann die zweite Behauptung kaum weiter von der Wahrheit entfernt sein.

"Kaufen/Verkaufen mit halber Anpassung" ist der Kompromiss, wenn man nicht weiß, was kommt. Er zieht sich wie ein roter Faden durch die Strategie.
Die Zahlen sprechen da eine andere Sprache: Bei deutlich höherem Risiko machst du unwesentlich mehr Gewinn. Das steht in keinem gesunden Verhältnis mehr zueinander.
Mit "Risiko" ist hierbei gemeint, dass man hinter der Performance der Standardstrategie zurückbleibt. Diese bildete im vorangegangenen Beitrag die betrachtete Nulllinie.

Schwankungen sind bei dieser Strategie niemals Verlust oder Risiko, sondern ausschließlich Profit. Je höher der Ausschlag (Richtung egal), desto höher der mögliche Profit. Ich werde dazu bald eine empirische Formel darstellen, wie der Profit berechnet werden kann. Wenn die Formel im Programm zur Kontrolle eingebaut wird, dann kann man einen Notstop einbauen, falls dieser Profit negativ ausfällt, denn das darf nicht sein.
Hast du überhaupt verstanden, was und wie ich oben argumentierte?

Nochmal im Detail. Um zu sehen, ob deine Modifikation auf Dauer bessere Leistungen bringt, als das Kernprinzip habe ich ganz grob vier Strategien durchgespielt:
1. "Standardstrategie" (kurz: SN): Das ist genau der Handelsstil, welcher immer sofort das Gleichgewicht sucht. Weil alles andere im Vergleich dazu betrachtet wird, ist dies die Nulllinie. Negative Werte in der Performance sind also Verschlechterungen gegenüber dieser Strategie. Ob diese letztlich auch ein reales Minus erzeugen, kann aus dieser Sicht alleine nicht beantwortet werden.
2. "Halbverkauf-Komplettkauf-ohne-Vorwissen" (kurz: HKoV): Hierbei wird immer nur zur Hälfte dem Vorschlag gefolgt, bis die Trendwende einsetzt. Mit Einsetzen der Trendwende wird das Gleichgewicht wiederhergestellt. Weil kein Vorwissen bzw. Glück besteht, wird der höchste Punkt verpasst.
3. "Halbverkauf-Halbkauf-ohne-Vorwissen" (kurz: HHoV): Deine Modifikation wirklich stur durchgespielt: Egal welche Bewegung, es wird immer nur die Hälfte des Vorschlags umgesetzt.
4. "Halbverkauf-Komplettkauf-mit-Vorwissen" (kurz: HKmV): Aus welchen Gründen auch immer (z.B. Glück, Insiderwissen, Bauchgefühl) wird der ideale Zeitpunkt für die Gleichgewichtslage genau getroffen. D.h. der Gewinn sollte von den hier genannten Strategien unter den nachfolgend geschilderten Umständen am höchsten sein.

Das Szenario ist eine kurze Aufwärtsbewegung gefolgt von einer Fortführung des Trends und dann einem radikalen Abschwung. An derem Anfang sei der Kurs also 500 EUR, dann geht es aufwärts auf 600 EUR, danach nochmal auf 700 EUR und zuletzt zurück auf 500 EUR.
Es ist leicht ersichtlich, dass in diesem Szenario die 4. Strategie "Halbverkauf-Komplettkauf-mit-Vorwissen" den höchsten Gewinn mit sich bringt, denn diese stellt das Gleichgewicht am höchsten Punkt wieder her.
Diese ist im Vergleich zur "Standardstrategie" auch deshalb besser, weil sie keine Veränderung im Risiko hat. Also wer eine Kristallkugel besitzt, die ausnahmsweise auch mal zu mehr taugt, als Staub einzufangen, hat hierbei von den oben genannten Strategien die beste Gewinnerwartung.
Dabei stellt sich nur die Frage: Warum sollte man sich mit Peanuts zufrieden geben, wenn man mit dem klassischen "All-In" deutlich höhere Gewinne erreicht?

Im Detail:
Wir starten unter allen vier Bedingungen mit folgendem Portfolio: 10 BTC und 5000 EUR.
Es ist leicht einzusehen, dass beim ursprünglichen Kurs von "BTC/EUR: 500" alle Portfolios ausgeglichen sind.
Also gehen wir direkt zum Anstieg auf 600 EUR über.

Die Standardstrategie (SN) hinterlässt nach der Aktion folgenden Zustand im Portfolio:
Quote
BTC:  55/6 = 9.16666666667
EUR: 5500 = 5500.0

Die Halbverkauf-Komplettkauf-ohne-Vorwissen (HKoV):
Quote
BTC:  115/12 = 9.583333333333334
EUR: 5250 = 5250.0

Die Halbverkauf-Halbkauf-ohne-Vorwissen (HHoV):
Quote
BTC:  115/12 = 9.583333333333334
EUR: 5250 = 5250.0

Und die Halbverkauf-Komplettkauf-mit-Vorwissen (HKmV):
Quote
BTC:  115/12 = 9.583333333333334
EUR: 5250 = 5250.0


Jetzt kommen wir zu dem Punkt, an dem es kritisch wird: Kursanstieg auf 700 EUR. Das lokale Hoch.

SN:
Quote
BTC:  715/84 = 8.5119047619
EUR: 17875/3 = 5958.33333333

HKoV:
Quote
BTC: 145/16 = 9.0625
EUR:  67375/12 = 5614.583333333333

HHoV:
Quote
BTC: 145/16 = 9.0625
EUR:  67375/12 = 5614.583333333333

HKmV:
Quote
BTC: 205/24 = 8.54166666667
EUR: 35875/6 = 5979.16666667

Der Rücksturz auf 500 EUR trifft jetzt die Strategien HKoV und HHoV am härtesten:

SN:
Quote
BTC:  143/14 = 10.2142857143
EUR: 35750/7 = 5107.14285714

HKoV:
Quote
BTC:  487/48 = 10.1458333333
EUR: 60875/12 = 5072.91666667

HHoV:
Quote
BTC: 461/48 = 9.604166666666666
EUR: 70625/12 = 5885.416666666667

HKmV:
Quote
BTC:  41/4 = 10.25
EUR: 5125 = 5125.0

Dein Vorschlag teilt sich im dargestellten Szenario in die Strategien HKoV und HKmV.
Dementsprechend muss bei detaillierter Betrachtung jetzt meine grobe Abschätzung gegenüber der Nulllinie aus dem letzten Beitrag korrigiert werden.
Der Erwartungswert für BTC ist unter den gegebenen Umständen (50% für beide Wahrscheinlichkeiten) dann: (-23/336 + 1/28) / 2 = (-11/336) / 2 = -11/672 = -0.01636904761904762
Der Erwartungswert für EUR ist dementsprechend: (-2875/84 + 125/7) / 2 = (-1375/84) / 2 = -1375/168 = -8.18452380952381
Kurze Erklärung zu der Rechnung: Es besteht für BTC also das 50%-ige Risiko 23/336 gegenüber SN zu "verlieren" und die genauso große Chance 1/28 zu gewinnen. Für EUR ist es dasselbe in grün: Mit genau derselben Wahrscheinlichkeit werden oben 2875/84 verloren oder 125/7 gewonnen.

Also wirst du mit deiner Strategie auf Dauer sehr wahrscheinlich hinter der Performance von SN zurückbleiben.
Unter dem Strich holst du dir in dem betrachteten Fall also das 50%-ige Risiko an Bord, dass du unter der Nulllinie bleibst. Zugleich wird dieses aber nicht im selben Verhältnis belohnt. Was faktisch einem schleichenden Verlust gegenüber der Nulllinie entspricht.

Gruß,
Bill