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Re: Umsatzsteuer auf Kryptowährungen - Bitcoins, Altcoins und Token -
by
qwk
on 27/02/2018, 16:58:18 UTC
Seit eben ist die Sache geklärt. Das BMF hat die EMail-Korrespondenz gegenüber Kryptotaxpert endlich freigegeben. Ist nebenan im Steuerthread gepostet: https://bitcointalk.org/index.php?topic=1976285.msg30767971#msg30767971

BMF erkennt also Umsatzsteuerbefreiung gemäß dem Hedqvist-Urteil des EuGH vom 22.10.2015 entgegen anderslautender Mutmaßungen einzelner Steuerberater, Anwälte und Blogs ausdrücklich an. Auf diese E-Mail (schon komisch in einem Rechtsstaat, oder?) sollte sich dann einstweilen jeder gegenüber der Steuerverwaltung berufen, bis die offizielle Verwaltungsanweisung die Finanzämter dann auch formell verpflichtet, so zu verfahren.
[...]
Übrigens sieht es das BMF juristisch genauso, wie ich gepostet hatte (siehe oben): Finanzämter müssen die Steuerbefreiung nach § 4 Nr.8 Buchst.b UStG richtlinienkonform auf den Bitcoin erstrecken, ihn also umsatzsteuerrechtlich den gesetzlichen Zahlungsmitteln gleichstellen.
Jetzt muss das nur noch durchsickern.

Wie kann es dennsein, dass die oberste Behörde der Finanzen, also das BMF, dermaßen chronisch unterbesetzt ist, dass sie seit Jahren zwar irgendeine Meinung über die Blockchchain "verteilen", aber - "die umsatzsteuerliche Würdigung des Mining wird noch geprüft" - offensichtlich niemanden dort haben, der ansatzweise eine Ahnung hat, was mit dieser Technik möglich ist, geschweige denn, die aktuellen steuerlich relevanten Dinge einzuordnen
Da könnte Absicht dahinterstehen. Aber andererseits kann es natürlich auch Zufall sein.

Ob das alles entscheidende Hedqvist-Urteil des EuGH aus 2015 bei diesem Kontakt mit dem FA Höxter von den Steuerberatern überhaupt thematisiert wurde, wage ich mal zu bezweifeln. In seinem Post im Coinforum hat der Nutzer Baldus zweifelsfrei nachgewiesen, dass die Steuerberater den genauen Inhalt des EuGH-Urteils nicht kennen > https://coinforum.de/topic/12169-finanzamt-fordert-umsatzsteuer-f%C3%BCr-bitcoinverk%C3%A4ufe/?do=findComment&comment=244763

Demgemäß wussten die ja nicht einmal, dass die damals umsatzsteuerfreundliche Auffassung der deutschen Regierung in dem Hedqvist-Verfahren vorgetragen wurde, die Richter dann aber in Kenntnis der deutschen Auffassung klar dagegen entschieden haben. Die Steuerberater haben noch vor ein paar Tagen im Coinforum ins Blaue hinein gemutmaßt, dass die deutsche Haltung vor Gericht nicht gehört wurde und Deutschland deshalb jetzt sozusagen zum großen Gegenschlag ausholt. Dabei hat Baldus ganz klar durch Textstellen im Urteil und in den Schlussanträgen der Generalanwältin nachgewiesen, dass und wie Deutschland in diesem Verfahren argumentiert hat.
Das geht aus dem Urteil an sich auch nicht hervor, wenn ich das richtig sehe:
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=170305&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1

Sondern erst aus den Schlussanträgen, und vermutlich aus Protokollen etc.
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=165919&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=442458

Ich will "Baldus" da nicht in Schutz nehmen, aber die Bundesregierung hat es nicht gerade an die große Glocke gehängt, dass man damals eine Schlappe hinnehmen musste.


Ich finde nur, dass unsere Version, die wir hier und nebenan im Steuerthread erarbeitet haben, einfach plausibler ist: Es geht dem FA Bonn nicht um eine gesetzgeberische Umsetzung des Richtlinienrechts oder - europarechtlich in solchen Fällen gar nicht vorgesehen: des EuGH-Urteils, weil es eben unmittelbar gilt. Das FA Bonn sagt (implizit, weil sies wegen der Hackordnung nicht offen können): Wir haben schon erkannt, dass es das EuGH-Urteil gibt, wir dürfens aber nicht anwenden, weil der Anwendungsbefehl von oben fehlt und zwar meint oben hier nicht den Gesetzgeber, sondern das BMF. Zuerst, in meinem ersten Post, bevor ich den Prüfbericht kannte, dachte ich noch, die haben verkannt, dass man hier die Befreiungsvorschrift des deutschen UStG richtlinienkonform auslegen muss. Aber das war nicht der Punkt. Das hatten die erkannt. Die sagen stattdessen im Passiv: Auch eine richtlinienkonforme Auslegung "ist nicht erfolgt" oder so ähnlich. Was soll das heissen? Leute, Auslegung ist eine Sache, die ihr machen müsst, ihr müsst das Recht anwenden, das ist euer tägliches Geschäft. Juristisch ausgedrückt: Der Auslegungstenor von EuGH-Urteilen ist von allen staatlichen Behörden sofort nach Verkündung zu beachten. Du kennst das, siehe weiter oben im parallelen Steuerthread. Die meinen aber, sie brauchen die Erlaubnis dazu von oben, also eine Verwaltungsanweisung. Und du hattest ja erkannt, dass dasselbe für den Anwendungsvorrang gilt. Die meinen doch allen Ernstes, den Anwendungsvorrang müsste noch jemand anordnen  Roll Eyes (Und die Stellungnahme von Dr. Meister vom BMF - BT-Drucksache 19/370 - kannten sie nicht, das hatte Kryptotaxpert recherchiert.) Genau das sind die europarechtlichen Fehler, wobei wir wieder bei unserer Diskussion wären, dass hier eine Kollision zwischen Europarecht und interner deutscher Verwaltungspraxis vorliegt.
[...]
Die Umsatzsteuerbefreiung ist seit 2015 da, sie muss nur noch bei allen Finanzämtern ankommen, übergangsweise ist sie das mit der E-Mail des Dr. Hufen bereits, förmliches BMF-Schreiben folgt. Und dass die Finanzverwaltung zum grossen Gegenschlag ausholt und die Machtprobe mit dem EuGH sucht, ist ein Märchen
Bullshit eben Wink