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Board Off-Topic (Deutsch)
Re: Was ist eigentlich los in Deutschland?
by
mezzomix
on 20/09/2018, 13:38:17 UTC
Umgekehrt wird ein Schuh draus: die spezifische Ausgestaltung der Demokratie in der Bundesrepublik ist sehr viel genauer definiert als ein schwammiger Begriff einer "Mehrheitsdiktatur". Dass die Definition in ihrer Komplexität dabei zwangsläufig nicht mehr in wenigen Worten beschreibbar ist, tut dem keinen Abbruch.

Sehe ich anders. Wenn in einer Gruppe von 10 Menschen 6 Menschen eine Entscheidung treffen, dann ist das Demokratie. Für oder gegen wen oder was diese Entscheidung getroffen wird, spielt keine Rolle. Mit der grundsätzlichen Definition der Mehrheitsdiktatur lässt sich jede Art der Entscheidungsfindung eindeutig dem Topf "Demokratisch" oder "Undemokratisch" zuordnen.

In DE sehe ich leider überhaupt keine Möglichkeit, überhaupt zuzuordnen ob eine Entscheidung "BRD-Demokratisch" war oder nicht. Je nach Mitspielern, Gewinnern und Verlierern ist das Ergebnis variabel. Daneben ändern einflussreiche Personen die Definition "BRD-Demokratisch" auch noch mehr oder weniger willkürlich über die Zeit. Wobei die Änderungen komischerweise oft irgendwelche Partikularinteressen bevorzugen.

Einfach gesagt gibt es zwei sehr gegensätzliche Freiheitsbegriffe:
1. "Ich will machen können, was ich will"
2. "Jeder soll machen können, was er will, sofern es im Rahmen eines (utilitaristischen) Gesellschaftsvertrags möglich ist"
Eher 1.5: Jeder soll machen was er will, solange er 1.5 für alle anderen Menschen nicht beeinträchtigt.
Das ist eine (ungenügende) Umformulierung von 2. Da es zwangsläufig im Zusammenleben von Menschen Situationen gibt, in denen gegenseitige Ansprüche bestehen, ist stets eine Abwägung der Interessen der Beteiligten nötig. Hierzu ist i.d.R. ein Gesellschaftsvertrag Voraussetzung, da das Subjekt ansonsten staatlicher Willkür ausgesetzt ist.

Genau. Eine Abwägung der Interessen der Beteiligten! Wenn nun aber ein Dritter, also ein Unbeteiligter, eine andere Rolle als die des Vermittlers einnimmt und sogar Partei ergreift, dann ist das nicht mehr durch diesen Konfliktlösungsanspruch gedeckt.

Bezüglich staatlicher Willkür und Gesellschaftsvertrag möchte ich gerne auf den Thread "    
Zoll Leipzig Antminer Katastrophe, Hilfe"
hinweisen. Dort wird sehr schön gezeigt, wie dieser Gesellschaftsvertrag (also die Gesetze) bei entsprechender Formulierung perfekt ausgenutzt wird und damit zum Paradebeispiel staatlicher Willkür wird.

Ich habe jedoch nur das recht, selber keinen Alkohol herzustellen / zu trinken. Ich kann es jedoch keinem anderen Menschen verbieten - auch nicht zum abstrakten "Wohl der Gesellschaft".
In dem Moment, wo dein Alkoholgenuss in irgendeiner Form Auswirkungen auf das Leben der anderen Teilnehmer der Gesellschaft hat, hat diese sehr wohl das Recht, dir jenen zu verbieten. Ab welchem Grad der Beeinträchtigung der Gesellschaft eine solche Einschränkung deiner individuellen Rechte angemessen ist, ist eine Grundsatzfrage, die im Gesellschaftsvertrag festgehalten sein sollte.
Um beim Beispiel zu bleiben, ist es sicher für jeden nachvollziehbar, dass es angemessen ist, dir den Alkoholgenuss im Straßenverkehr zu verbieten.
Ob es aber schon ausreicht, dein lästiges Gegröle nach dem fünften Bier zum Anlass für ein Verbot zu nehmen, ist dann schon eine andere Hausnummer. In einer "Gesellschaft der Ruhesuchenden" mag aber auch das angemessen sein.
Entschließt sich eine Gesellschaft z.B. für gegenseitige Gesundheitsvorsorge zu zahlen, mag auch ein Verbot aus gesundheitlichen Gründen angemessen sein. Letztlich ist das eine Frage der Abwägung.

Die hast die Herstellung ignoriert und vermischst beim Konsum den eigentlich Konsum mit eventuellen oder angenommenen Folgen des Konsum. Es spricht gar nichts dagegen, dass ich mein Auto nach dem Konsum in meiner Garage zu Schrott fahre (vorausgesetzt andere Menschen müssen es nicht über eine Versicherung bezahlen). Es spricht allerdings sehr viel dagegen, den Nachbarn durch "laute Gröhlereien" zu stören - unabhängig ob mit oder ohne Alkoholkonsum.

In unserer Gesellschaft z.B. halten wir es für angemessen, Kindern den Genuss von Alkohol aus gesundheitlichen Gründen zu verbieten, bzw. weil wir ihnen nicht zutrauen, selbst informierte Entscheidungen zu treffen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das notwendigerweise auch so sehen würde, so ich es denn einmal fundamental in Frage stellte, aber ich gehe zunächst einmal davon aus, dass ich mit diesem Teil unseres Gesellschaftsvertrags ganz gut leben kann.

Wir haben diese Entscheidung damals innerhalb der Familie mit unseren Kindern getroffen. Wir haben auch zusammen den Umgang mit durchaus vorhandenen Vertössen gegen diese Entscheidung abgestimmt. Einem unbeteiligten Dritten - z.B. Dir oder auch "der Gesellschaft" - gestehe ich das Recht, diese Entscheidungungen zu treffen und Verstösse zu sanktionieren, nicht zu.

Damit wären wir wieder bei der Beliebigkeit des Demokratiebegriffs angekommen. Angenommen jeder der das Kreuz nicht bei der Einheitspartei macht wird der führsorglichen Gewalt einer Staatssicherheit unterstellt. Dann sind die Regeln auch hinreichend bekannt, um auf dieser Basis eine informierte Entscheidung treffen.
Es gibt einen erheblichen Unterschied zwischen "keine Wahl haben" und "die Wahl zwischen zahlreichen nicht besonders tollen Alternativen haben". Von einer Einheitspartei sind wir in Deutschland weit entfernt.
Wenn sich unsere etablierten Parteien auch in wesentlichen Teilen ihrer Politik einander angenähert haben, so ist das eher Ausdruck der sehr ähnlich gelagerten Interessen großer Teile der Bevölkerung, die tatsächlich in Parteien engagiert sind, bzw. bei Wahlen ihre Stimme abgeben.

Das kannst Du nicht ernst meinen?! Sorry für die Polemik, aber soll dieses gemeinsame Interesse der Bevölkerung sein, durch Personen mit Partikularinteressen abgezockt zu werden?

Wenn zum Beispiel die Piraten "auch auf Linie gebracht" wurden, dann steckt darin sicherlich kein Interesse der Bevölkerung. Nicht umsonst hatten die Piraten zuerst einen starken Zulauf und sind in der Versenkung verschwunden, nachdem sie "auf Linie gebracht" wurden. Inzwischen sind sie so auf Linie, dass sie - bis auf die Debatte ob man mehr Müllmänninnen benötigt - von einer Einheitspartei nicht mehr zu unterscheiden sind.

Das Hauptproblem sind hier allerdings drei Punkte: Erstens entscheiden unbeteiligte Dritte über Sachen, mit denen sie rein gar nichts zu tun haben. Zweitens gibt es keine Möglichkeit für die Bevölkerung, mit ihrer Stimme eine einzige Entscheidung zu treffen. Tatsächlich kauft sie sich damit immer einen Korb an Entscheidungen ein, die sich grösstenteils zu ihrem Nachteil auswirken. Und drittens treffen die Bürger tatsächlich gar keine Entscheidung, da die gewählten Vertreter nicht an ihre Wahlversprechen gebunden sind.