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Re: Corona, Russland vs. EU bzw. Amerika etc.
by
d5000
on 10/03/2022, 16:01:09 UTC
⭐ Merited by Buchi-88 (1)
Ich sehe einfach keinen Anlass, zwischen russischsprachigen Zeitungen zu verallgemeinern, die auch problemlos thematisch von ukrainischsprachigen Bevölkerungsteilen gelesen werden können und Zeitungen, die schlicht keinen Absatz unter ukrainischsprachigen Bevölkerungsteilen finden werden.
Versteh ich jetzt nicht ganz. Beide Arten Zeitungen sind sinnvoll, oder meinst du mit der zweiten Kategorie Putin-nahe Medien? Gerade bei Printmedien, bei denen viel über Abos läuft, denke ich dass eine Acquise neuer Leser in der gleichen Größenordnung wie die bisherige Auflage sicher schwierig ist, vor allem wenn es auch noch eine andere Sprachgemeinschaft ist. Selbst wenn die reinen Druckkosten sich nicht verdoppeln, hat man eine Menge anderer Kosten, von Marketing bis Logistik (ich muss die ukrainischsprachigen Leser eventuell in einer anderen Region erreichen!) deshalb sehe ich meine Einschätzung einer Kostenverdopplung nicht als "Unsinn" an. Will mich aber auch nicht über diese Zahl streiten.

Ich weiß nicht, wie du darauf kommst, dass das Gesetz "die Befindlichkeiten" dieser Leute "ignorieren" würde? Auch mit viel Fantasie kann ich sowas nicht erkennen.
Wenn ich jahrelang eine Zeitung gelesen habe, und dann diese nicht mehr erscheinen kann, weil der Verlag sich die ukrainischsprachige Ausgabe nicht leisten kann, dann ist meine Befindlichkeit sicherlich gestört. Es wird auch kulturell Reichtum aufgegeben, wenn immer mehr Medien entweder ganz aufgeben oder ältere Bevölkerungssegmente beiseite schieben und ins Web wandern müssen.

Mir scheint eher, dass selbst russischsprachige Ukrainer das "Problem" zunehmend als aufgebauscht erkennen und als Spaltungskampagne seitens der Separatisten sehen.
In diesem Sinne will die russische Propaganda die russischsprachige Bevölkerung gegen die ukrainischsprachige Bevölkerung gehetzt werden, was der russischen Propaganda zum Glück auf ganzer Linie mislingt, da es einfach Unsinn ist.
Ja, das ist wie gesagt der Hoffnungsschimmer, aber da hat das Sprachengesetz jetzt nicht direkt was damit zu tun. Auf der anderen Seite der Grenze (im grenznahen Russland) scheint die Propaganda aber zumindest teilweise noch zu funktionieren, da gab es in den letzten Tagen ja einige Berichte. Auch die Leute aus den Grenzregionen verlieren mit den russischsprachigen ukrainischen Medien möglicherweise eine Quelle, um sich unabhängig über die Situation zu informieren.

Und wenn du hier das Sprachengesetz von 2019 kritisiertst, müsstest du genauso das Kiwalow-Kolesnitschenko-Gesetz von 2012 kritisieren, welches vom prorussischen Präsidenten Yanukowytsch eingeführt wurde.
Man könnte auch sagen: ohne das damalige Gesetz von Yanukowytsch wäre das heutige Gesetz möglicherweise nicht als "Gegenbewegung" ausgefallen, als die es gesehen werden kann.
Sollte das Gesetz von 2012 den Gebrauch der ukrainischen Sprache in den russischsprachigen Regionen einschränken, wäre es sicherlich ebenfalls harsch zu kritisieren. Da gab es wohl eine juristische Diskussion drüber, die Details kenne ich allerdings nicht. Ein unsinniges Gesetz rechtfertigt aber nicht ein weiteres, das in die andere Richtung zu weit geht. Diese "Gegenbewegungen ins andere Extrem" sehe ich dabei allgemein als Problem an, Kompromisse scheinen immer schwieriger zu werden. Vielleicht eine Folge der Filterblasen/Echokammern.

Nein, das Gesetz ist einfach eine demokratische Antwort auf die teilweise prekäre Lage, die insbesondere seit 2014 zu diversen Problemen geführt hat. Soll die Ukraine so tun, als gäbe es diese Probleme nicht?
Die Ursprünge der Probleme liegen dabei jedoch weitaus früher zurück und sind vielfach damit begründbar, dass die Ukraine ihre koloniale Vergangenheit abschütteln möchte.
Ohne dem Quasi-Verbot rein russischsprachiger Medien wäre ich mit dem Gesetz halbwegs einverstanden, würde es jedenfalls nicht so harsch kritisieren. Man hat aber damit klar über das Ziel herausgeschossen.
 
Darüber hinaus ist die russische Sprache einfach durch die weitere Verbreitung in Russland und anderen Postsowjetischen Ländern in einem "freien Markt" der ukrainischen Sprache überlegen und die russische Sprache würde die ukrainischen Sprache sukzessive zurückdrängen.
Das würde ich zwar nicht komplett auschließen aber doch eher bezweifeln - die Erfahrungen in der Schweiz ("Weltsprache" Französisch vs. den weniger prestigeträchtigen Sprachen Deutsch/Italienisch) jedenfalls sprechen dagegen, die Sprachgrenze blieb dort nahezu stabil. Auch in Belgien war zwar das Französische eine Zeitlang zu Ungunsten des Flämischen auf dem Vormarsch, seit dem späten 20. Jahrhundert jedoch scheint sich die Situation wieder eingependelt zu haben und die klare Mehrheit spricht weiterhin Flämisch.

Solchen gelinde gesagt, grenzdebilen Unsinn, hätte ich besonders von dir nicht erwartet!
Hab das erst jetzt gelesen. Einen solchen persönlichen Angriff ich auch nicht von dir, ehrlich gesagt. Ich hoffe, es war nur eine Kurzschlussreaktion/Missverständnis und du überdenkst dieses Urteil (das Thema ist emotional, keine Frage, deswegen wäre ich in dem Fall auch nicht nachtragend). Ich bin sicher kein Putinversteher, wenn du das jetzt denken solltest, hätte nicht mal was gegen einen russischen Stauffenberg, aber bin gegen jegliche Art von Diskriminierungen und Spaltungen, das solltest du bei der Diskussion beachten. Es geht auch nicht um eine Rechtfertigung gegenüber dem Angriff! Ich war nur mit einer Passage in deinem Post nicht einverstanden, die imo das Sprachengesetz etwas zu "locker" gesehen hat.

Dass "wir" uns als Außenstehende da nicht in demokratische Entscheidungen einzumischen haben würde ich auch verneinen. Die Menschen haben z.B. in Europa oder wo auch immer auch starke Meinungen über negative Entwicklungen in den USA, z.B. den Rassismus dort (auf Grundlage dessen in einigen Bundesstaaten "demokratisch" z.B. diskriminierende Wahlgesetze erstellt werden), Trump usw. und es ist gut und sinnvoll dort die Bewegungen gegen Diskriminierung (z.B. BLM) auch international in Social Media etc. zu unterstützen. Das Gleiche gilt innerhalb Europas u.a. für die Verirrungen Ungarns und Polens, ich nehme mir da auch das Recht heraus menschenverachtenden Unsinn wie die "LGBT-freien Zonen" harsch zu kritisieren, auch wenn diese "demokratisch" von irgendwelchen Gemeinden beschlossen wurden.

Wenn du dich aber auf den EU-Druck bei einem möglichen Beitritt der Ukraine, den ich erwähnte, beziehst, dann sehe ich das ebenfalls anders, denn die EU übt bei Beitrittsverhandlungen in zahlreichen Gebieten Druck aus, auch bei Themen wie Diskriminierung.

Ich bleibe dabei, das Sprachengesetz von 2019 war ein großer Fehler und es darf und muss kritisiert werden. Aber wie gesagt, ich habe etwas Hoffnung, dass sich - wenn die Ukraine Bestand hat - die Situation langfristig entspannt.